"Bei aller unberechtigter und berechtigter Kritik an Netanjahu: Wir dürfen nicht vergessen, dass es die Hamas ist, die am 7. Oktober den laufenden Krieg auf grausamste Weise provozierte, dass es das Regime in Teheran ist, das die Islamisten tagtäglich gegen Israel anstachelt, ausbildet und aufrüstet und dass es der jüdische Staat ist, der mit dem Rücken zur Wand um seine Existenz kämpft." M. Künzel
Verleugnete Kontinuität
Von Matthias Küntzel
Wie ein Dogma wiederholen Omer Bartov und andere Historiker die Behauptung, die Morde der Hamas hätten mit dem Holocaust nichts zu tun. Sie wenden sich damit gegen die Evidenz. Die ideologischen, historischen und semantischen Beziehungen, die den Antisemitismus der Hamas mit dem der Nazis verbinden und die wissenschaftliche Literatur, die diesen Zusammenhang belegt, kann mittlerweile nur noch übersehen, wer sie partout übersehen will. Seit dem 7. Oktober lässt sich die Holocaust-Geschichte von der Gegenwart nicht länger trennen.
Juden, die sich inmitten von Leichenbergen totstellen müssen, Mütter, die Babys den Mund zuhalten, um nicht entdeckt zu werden, Gefangene, die gezwungen werden, ihre Nachbarn Mördern auszuliefern, Menschen, die vergewaltigt, gefoltert und bei lebendigem Leibe verbrannt werden: Die Gräuel des 7. Oktober erinnern ohne Frage an den Nazismus. Und tatsächlich gibt es Stränge der Kontinuität, die den antijüdischen Terror der SS-Einsatzgruppen mit dem der Hamas verbinden.
Einer dieser Stränge hat mit dem Wissen um den Holocaust zu tun. Während für das Gros der Menschheit die Ermordung der sechs Millionen ein gigantisches Verbrechen war, gab es unter Islamisten immer auch diejenigen, die im Judenmord eine Glanzleistung der Nazis sahen, die es zu wiederholen oder zu vollenden gilt. Prominentes Beispiel ist der Prediger Yusuf al-Qaradawi, der 2022 starb. Er war der bedeutendste und populärste Führer der Muslimbruderschaft, jener Organisation also, als deren palästinensischer Ableger sich die Hamas versteht. Dies sind die Worte, die er Anfang 2009 dem Millionenpublikum des TV-Senders Al-Jazeera zurief: "Im Laufe der Geschichte hat Allah den Juden Personen aufgezwungen, die sie für ihre Korruption bestrafen. Die letzte Bestrafung wurde von Hitler durchgeführt. Er hat es geschafft, ihnen ihren Platz zuzuweisen. Dies war eine göttliche Bestrafung. So Allah will, wird die nächste Bestrafung seitens der Gläubigen erfolgen." (1)
Die Juden hätten den Holocaust schuldhaft ("Korruption") ausgelöst, behauptet hier Qaradawi; doch Hitler habe es geschafft, sie zu bestrafen. Mehr noch: Bei dem millionenfachen Mord habe es sich um eine "göttliche Bestrafung" gehandelt. Sie habe aber nicht ausgereicht. Eine weitere Bestrafung sei notwendig, diesmal durch die Muslime. So kündigte Qaradawi allen Ernstes einen neuen Holocaust und Israels Ende, an: als religiöse Mission und als Allahs Gebot. Die Hamas-Terroristen haben dies verstanden.
Ein weiterer Strang der Kontinuität hat mit der spezifischen Ideologie-Geschichte der Hamas zu tun. Deren Dachorganisation, die Muslimbruderschaft, erhielt bereits in den dreißiger Jahren Nazi-Gelder aus Berlin. Nazi-Agenten nahmen sich ihres Führungspersonals an und veranstalteten gemeinsame Schulungsabende über "die Judenfrage". Jahrzehnte später ging diese Saat auf. So werden in der weiterhin gültigen Hamas-Charta von 1988 "die Juden" zum Weltfeind und zum Auslöser beider Weltkriege erklärt und die "Protokolle der Weisen von Zion" als Beleg für jüdisches Verhalten angeführt. Hier wird in Artikel 7 erklärt: "Die Zeit der Auferstehung wird nicht anbrechen, bevor nicht die Muslime die Juden bekämpfen und sie töten."
Zu dieser Programmatik passen die Funde, die israelische Soldaten im Gaza-Streifen machten, wie zum Beispiel das Buch des Hamas-Mitgründers Mahmoud al-Zahar mit dem Titel "Das Ende der Juden", das den Holocaust verklärt und dazu aufruft, ihn zu vollenden (2) oder arabische Ausgaben von "Mein Kampf", ein Buch, das kürzlich auf Platz 6 der palästinensischen Bestseller-Liste stand. (3) Am 7.Oktober schritten die so Aufgehetzten zur Tat. Sie wollten das "Ende der Juden" und hätten ohne das Eingreifen israelischer Streitkräfte stets weiter getobt.
Dass dieser erneute Massenmord an Jüdinnen und Juden nicht verhindert werden konnte, zeugt von einem Versagen der Israelis und der westlichen Welt, ja von einem Versagen der Weltgemeinschaft: Immerhin war das genozidale Programm der Hamas seit 1988 in der arabischen Welt und seit 2002 auch im deutschsprachigen Raum bekannt. Man nahm es sträflicherweise nicht ernst. Und was geschah danach? Wie haben die Weltöffentlichkeit und der Westen angesichts der Erfahrung des Holocaust und angesichts von vierzig Jahren "Holocaust-Education" auf den 7. Oktober reagiert?
Bis heute verweigert die Mehrheit der nicht-jüdischen Welt den vom Terror betroffenen Juden Beistand und Solidarität. Sie lässt damit - wie bereits 1938 - die Jüdinnen und Juden erneut im Stich. Im Juli 1938 weigerten sich 31 der 32 Staaten, die an der Konferenz von Evian teilnahmen, jüdische Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland und dem von Nazis besetzten Österreich aufzunehmen. Dazu war einzig die Dominikanische Republik bereit. 85 Jahre später ist erneut von einer Empathie mit Jüdinnen und Juden, die sich weltweit mit einem massiven Anstieg antisemitischer Anfeindungen konfrontiert sehen, wenig zu spüren.
Zudem kann von einem Innehalten und von einer ernsthaften internationalen Auseinandersetzung über die Frage, was am 7. Oktober eigentlich zum Ausbruch kam und wie der hier an den Tag gelegte Frauen- und Judenhass zu erklären und künftig zu verhindern ist, keine Rede sein. Zwar haben Holocaust-Forscher viel über den eliminatorischen Antisemitismus geschrieben. Nach dem 7. Oktober war dieses Wissen jedoch weitgehend für die Katz: Die Charta der Hamas hat in den nachfolgenden Debatten kaum eine Rolle gespielt. So wurde das, was Jüdinnen und Juden weltweit als existenziell einschneidende Zäsur empfanden, an Universitäten und von Regierungsagenturen der westlichen Welt als Episode behandelt: man machte weiter, als sei nichts geschehen.
Gleichzeitig schlugen die anfänglichen Solidaritätsbekundungen mit Israel binnen kürzester Frist in Bezichtigungskampagnen um. Fast überall wurde Israel - und damit den Juden - die Schuld am Hamas-Terror in die Schuhe geschoben und das Massaker als Antwort auf 56 Jahre "Besatzung" interpretiert. Leider nahmen und nehmen an derartigen Entlastungsstrategien, die den Antisemitismus weltweit stärken, auch prominente Holocaustforscher teil; Professoren, die es eigentlich besser wissen müssten. Zu ihnen gehört Omer Bartov, Professor für Holocaust- und Völkermordstudien an der Brown Universität in Providence, Rhode Island, USA.
Israels Schuld?
Nach den Ursachen für das Massaker des 7. Oktober befragt, machte Bartov in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau einzig Israels Politik und die "Unterdrückung von Millionen von Palästinensern" dafür verantwortlich. Dies habe seitens der Betroffenen "zu Gewalt, zu Wut und Rachedurst" geführt. Der Angriff der Hamas müsse deshalb "als Versuch gewertet werden, die Aufmerksamkeit auf die Notlage der Palästinenser zu lenken." (4) Diese Deutung scheint auf den ersten Blick plausibel zu sein, geht aber an der Wirklichkeit vorbei.
Erstens verkennt sie das Vorgehen und damit auch das Motiv der Hamas: Der 7. Oktober war keine spontane Rache- und Wutaktion, sondern ein strategischer Schlag, der monatelang penibel vorbereitet worden ist. Die Hamas-Oberen geben offen zu, dass ihr Vorgehen die "Notlage der Palästinenser" keineswegs lindern soll. Sie profitieren ganz im Gegenteil von der Katastrophe im Gaza-Streifen, weil sie Israel um so wirksamer an den Pranger stellen und das eigentliche Ziel, die Auslöschung Israels und der Juden, um so besser verfolgen können.
Zweitens war das Massaker keine Antwort auf Provokationen Israels. Das Land hatte sich in den Monaten und Jahren zuvor darum bemüht, die Lage im Gazastreifen zu stabilisieren und den Lebensstandard zu heben. Deshalb duldeten Israels Regierungen über Jahre hinweg, dass Gelder aus Katar an die Hamas gelangten, deshalb gestattete man es Zehntausenden Gaza-Bewohnern, ihr Geld in Israel zu verdienen. Die damit verbundene Hoffnung auf Stabilität erwies sich jedoch als Illusion; am 7. Oktober folgte die grausame Quittung.
Drittens kann der religiös begründete Judenhass der Hamas auch deshalb keine Reaktion auf Israels Politik sein, weil er von deren Vorläufergruppen bereits in den 1930er Jahren ausformuliert und weiterentwickelt worden ist. Es handelt sich um einen vom Nationalsozialismus beförderten Hass, der der Gründung Israels vorausging und der stets eher Ursache der Gewalt, denn eine Reaktion darauf war. Dieser Hass richtet sich gegen alle Juden, egal wie sehr sie sich für das Einvernehmen mit Palästinensern engagieren, was bei vielen der am 7. Oktober Dahingeschlachteten der Fall war und er richtet sich gegen alles, was auch immer Israel tut.
Viertens ist sich die Forschung darin einig, dass Antisemitismus ein Phantasma ist, das mit real existierenden Jüdinnen und Juden oder mit Kritik an deren Aktivitäten nichts zu tun hat. Bartov ignoriert diese Tatsache, wenn er in dem erwähnten Interview erklärt, dass Israel den Hamas-Terror des 7. Oktober verursacht habe. Er vergisst, dass der Antisemitismus unserer Alltagslogik von Ursache und Wirkung widerspricht. So wie es für die Ermordung der sechs Millionen keine plausible Ursache gab, gab es auch für die Pogrome, die den Ritualmordanschuldigungen folgten oder für das Massaker des 7. Oktober keinen plausiblen Grund: Hier waren und sind schierer Hass und die bösartigste aller Ideologien am Werk.
Tabu-Thema Holocaust?
Omer Bartov hat bereits in dem weiter oben erwähnten Interview, das die Frankfurter Rundschau gut eine Woche nach dem Massaker veröffentlichte, alle Versuche, den Terror der Hamas mit dem Holocaust in eine Beziehung zu setzen, als "irreführend" und als "ideologisch getrieben" kritisiert. Einen guten Monat später veröffentlichte er gemeinsam mit Christopher R. Browning, Michael Rothberg und A. Dirk Moses sowie zwölf weiteren Kolleginnen und Kollegen eine "Offenen Brief über den Missbrauch der Holocaust-Erinnerung". Darin wenden sich die Unterzeichner, unter ihnen die Direktorin des Berliner "Zentrum für Antisemitismusforschung", Stephanie Schüler-Springorum, nicht nur gegen einen Missbrauch des Gedenkens, den es gibt und der kritisiert gehört. Sondern sie lehnen auch beim Bemühen, die Ursachen des Massaker zu verstehen, jedwede Bezugnahme auf den Holocaust ab.
Ihr Offener Brief erwähnt zwar, dass der 7. Oktober viele Jüdinnen und Juden eben daran und auch an frühere Pogrome erinnert hat. Zugleich weist er diese Assoziation aber vehement zurück: "Die Berufung auf die Erinnerung an den Holocaust verstellt den Blick auf den Antisemitismus, dem Juden heute ausgesetzt sind, und stellt die Ursachen der Gewalt in Israel und Palästina gefährlich falsch dar." (5)
Diese Kernaussage des Offenen Briefes ist in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Sie unterstellt zum einen, dass der Antisemitismus, dem Juden "heute" ausgesetzt sind, mit dem Judenhass, der im Holocaust gipfelte, wenig oder nichts gemein habe. Dies ist, wie wir bereits gesehen haben, falsch. Die ideologischen, historischen und semantischen Beziehungen, die den Antisemitismus der Hamas mit dem der Nazis verbinden und die wissenschaftliche Literatur, die diesen Zusammenhang belegt, kann mittlerweile nur noch übersehen, wer sie partout übersehen will.
Wer dies ausblendet, macht aber nicht nur allein Israel für den Judenhass in der arabischen Welt verantwortlich, sondern verharmlost ihn, indem er ihm ein gleichsam rationales Motiv unterstellt.
Ein Beispiel für diese Verharmlosung lieferte bereits 2010 der amerikanische Politikwissenschaftler Marc Lynch. Lynch ging im Rahmen einer Buchbesprechung in der renommierten Zeitschrift Foreign Affairs auf Qaradawi ein, den er als "eine Ikone zur Förderung gewaltfreier Islamisten" lobt. Allerdings sei Qaradawi, so räumt er ein, "gewiss feindselig gegenüber Israel". Damit bezog sich Lynch auch auf die oben zitierte Rede Qaradawis, in der dieser den Holocaust als "eine göttliche Bestrafung" bezeichnete und erklärte: "So Allah will, wird die nächste Bestrafung seitens der Gläubigen erfolgen." Für Lynch war diese Drohung kein Antisemitismus, sondern lediglich Ausdruck von Israelkritik.
Damit aber war der Autor des rezensierten Buches, Paul Berman, nicht einverstanden: Lynch verstecke sich "hinter Euphemismen, in diesem Fall seine Formulierung 'feindselig gegenüber Israel', obwohl er eigentlich 'hitlerisch' meint", schrieb Berman in der Folgeausgabe von Foreign Affairs. Lynch aber wollte von der These, das er "hitlerisch" gemeint haben könnte, nichts wissen. Stattdessen bekräftigte er in einer Erwiderung seinen Irrtum: Qaradawi habe mit seiner Holocaust-Äußerung "eine extrem feindliche Sicht auf Israel zum Ausdruck gebracht". (6)
Gegen alle Evidenz verteidigt hier Lynch, wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen, das Dogma der Diskontinuität - also die These, dass es zwischen Hitlers Hass auf Juden und dem islamistischen Hass auf Israel keinerlei Verbindung gibt. Fehleinschätzungen dieser Art trugen und tragen erheblich dazu bei, dass der radikale Judenhass von der Muslimbruderschaft und der Hamas auf die leichte Schulter genommen und die Katastrophe des 7. Oktober ermöglicht wurde.
Zurück zum Offenen Brief von Bartov und anderen. Die Berufung auf die Erinnerung an den Holocaust stelle "die Ursachen der Gewalt in Israel und Palästina gefährlich falsch dar", heißt es hier weiter. Besteht also, wenn ich mein Wissen über den Holocaust mit dem 7. Oktober in eine Beziehung setze, eine "Gefahr"? Und um welche Gefahr handelt es sich?
Der Kontext des Offenen Briefes gibt hierüber Auskunft. Während das Massaker der Hamas wiederholt als "current crisis" ("momentane Krise") verharmlost wird, erheben die Unterzeichner den Vorwurf der "Barbarei" allein gegenüber Israel, dessen 75-jährige Geschichte sie für die "Gewaltspirale" verantwortlich machen. "Es gibt keine militärische Lösung in Israel-Palästina" schrieben sie wenige Wochen nach dem 7. Oktober, ohne zu sagen, wie der Mordrausch der Hamas nicht-militärisch hätte beendet werden können.
Vermutlich finden sie die Erinnerung an den Holocaust nicht nur falsch, sondern "gefährlich falsch", weil dieser Aspekt die Dichotomie von zionistischer Perfidie auf der einen und palästinensischer Unschuld auf der anderen Seite untergräbt. Natürlich gibt es zahlreiche gute Gründe, die Politik von Benjamin Netanjahu und dessen gegenwärtige Kriegsführung zu kritisieren. Diese Kritik wird allerdings unlauter, sofern sie all die Kräfte, die Israels Zerstörung wollen, systematisch ignoriert. Dies aber ist bei dem zitierten Offenen Brief der Fall.
Am 8. Dezember 2023 veröffentlichen Jeffrey Herf und Norman J.W. Goda eine von 31 weiteren Wissenschaftlern unterzeichnete Gegenerklärung, die den Vorwurf des Holocaust-Missbrauchs zurückweist. Sie bezeichnen darin die Ereignisse des 7. Oktober als "den größten Massenmord an Juden seit dem Holocaust" und betonen, dass es ideologisch "eine Verbindung zwischen den Nazis und der Hamas" gibt.
Sie thematisieren "die ausgeprägte Form des islamistischen Judenhasses", "die in den 1930er Jahren mit der Muslimbruderschaft aufkam" und betonen, dass "diese Mischung aus islamistischem und europäischem Judenhass zwar nicht von der gesamten arabisch-muslimischen Welt geteilt wird, aber gleichwohl hinsichtlich der Existenz eines jüdischen Staates einen Schatten auf den Nahen Osten geworfen hat."
Sie kritisieren die antizionistische Stoßrichtung des Bartov-Papiers und fordern abschließend einen "unvoreingenommenen Blick auf die Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart in der Hamas-Diktatur und ihrer Aktionen". (7) In einer kurzen Erwiderung wies die erstgenannte Gruppe die Gegenerklärung zurück und bekräftigte ihre Position. (8)
Versagen der Holocaust-Erziehung
Wenn Bartov und dessen Mitunterzeichner sämtliche Assoziationen mit der Shoah so vehement zurückweisen, flüchten sie vor der Wirklichkeit: Seit dem 7. Oktober lässt sich die Holocaust-Geschichte von der Gegenwart nicht länger trennen.
Die Monate nach dem Massaker haben das Versagen der bisherigen westlichen Holocaust-Erziehung kenntlich gemacht. Diese wollte von den Nachwirkungen der Nazi-Ideologie in der muslimischen Welt nie etwas wissen. Im November 2023 räumte dies Dani Dayan, der Vorstandsvorsitzende von Yad Vashem, ein: "Wir in Yad Vashem sind Experten für die Nazi-Ideologie, nicht für die barbarische Ideologie der Hamas. Wir haben sie nicht erforscht." (9)
Damit muss es ein Ende haben. Will man der neuen Herausforderung gerecht werden, muss künftig jedes Shoah- Gedenken ein Anti-Antisemitismus-Gedenken sein, welches den genozidalen Judenhass, der nach Auschwitz und im Nahen Osten weiterlebt, nicht länger tabuisiert. Gleichzeitig müsste der Kampf gegen den Antisemitismus stets mit dem Ziel einer Holocaust-Awareness geführt werden, bei der es nicht nur um die Einzigartigkeit des Verbrechens, sondern auch um die Einzigartigkeit des Hasses geht, die dieses möglich machte. Die eigentlichen Protagonisten dieses Hasses sitzen heute aber in Teheran. Für sie war das Massaker nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen soll.
(1) MEMRI, #2005, 28. Januar 2009. Qaradawi ist kein Einzelfall, wie die Studie von Meir Litvak und Esther Webman, From Empathy to Denial. Arab Responses to the Holocaust, London 2009, eindringlich belegt.
(2) President Isaac Herzog at Munich Security Conference presents antisemitic texts found in Gaza, 17 February 2024.
(3) No need to apologize: Hamas are indeed the "New Nazis", in: Jewish News Syndicate, 06.03.2024
(4) Ulrich Seidler, Genozidforscher zu Hamas-Attacke: "Netanjahu hat den Wind gesät", in: Frankfurter Rundschau, 16. Oktober 2023.
(5) "Open Letter on the Misuse of Holocaust Memory", in: The New York Review of Books, November 20, 2023. Hervorhebung: MK. Hier die Originalformulierung: "Appealing to the memory of the Holocaust obscures our understanding of the antisemitism Jews face today, and dangerously misrepresents the causes of violence in Israel-Palestine." Neben den fünf Genannten haben diesen Brief unterschrieben: Karyn Ball, Jane Caplan, Alon Confino, Debórah Dwork, David Feldman, Amos Goldberg, Atina Grossmann, John-Paul Himka, Marianne Hirsch, Raz Segal und Barry Trachtenberg.
(6) Marc Lynch, "Veiled Truths: The Rise of Political Islam and the West", in: Foreign Affairs, July/August 2010 sowie Paul Berman, "Islamism, Unveiled and Marc Lynch", "Lynch Replies" in: Foreign Affairs, September/October 2010.
(7) Jeffrey Herf, Norman J.W.Goda, and 31 other scholars, "An Open Letter on Hamas, Antisemitism, and Holocaust Memory", in: The New York Review of Books, December 8, 2023. Es handelt sich bei den 31 um Joseph Bendersky, Russell A. Berman, Paul Berman, Richard Breitman, Magnus Bretchken, Martin Cüppers, Havi Dreifuss, Ingo Elbe, Tuva Friling, Sander Gilman, Stephan Grigat, Susannah Heschel, David Hirsh, Günther Jikeli, Martin Kramer, Matthias Küntzel, Meir Litvak, Dan Michman, Joanna B. Michlic, Benny Morris, Cary Nelson, Bill Niven, Alvin Rosenfeld, Gavriel Rosenfeld, Roni Stauber, Norman A. Stillman, Karin Stögner, Izabella Tabarovsky, James Wald, Thomas Weber und Elhanan Yakira.
(8) Ebd.
(9) Detlef David Kauschke, ""Nie wieder ist jetzt"", in: Jüdische Allgemeine, 9. November 2023.